Einleitung

Kinder, Jugendliche und Familien wachsen in einer Zeit auf, in der viel vom Wertewandel – gar von Werteverlust geredet wird. Zwar tragen eine globalisierte Welt und die daraus resultierende vermehrte Medienpräsenz sowie das Internet mit dazu bei, dass wir heutzutage wesentlich mehr „Input“ erhalten, dennoch lassen sich in vielen Bereichen der Gesellschaft Anhaltspunkte dafür finden, dass ethische Grundlagen und Vorstellungen vom gemeinsamen Miteinander in teilweise bedrohlicher Art und Weise Defizite aufweisen.Menschen werden in U-Bahnhöfen auf brutalste Weise zu Tode getreten,

Amokschützen töten unschuldige und gänzlich unbeteiligte Menschen um „auf sich aufmerksam“ zu machen, oder ihre privaten gescheiterten Existenzen in den Fokus der Gesellschaft zu transportieren,

Politiker wechseln ihre Meinungen und Anschauungen mitunter im wöchentlichen Zyklus auf der Suche nach „Wählerstimmen“…Betrachtet man die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, stellen wir mitunter einen erschreckenden Vertrauensverlust in die Entscheidungsträger fest und sind geradezu hilflos den daraus resultierenden Meldungen in den Medien ausgesetzt.

Junge Menschen orientieren sich an Vorbildern und versuchen so, ihren eigenen Weg in die Gesellschaft, beruflich als auch privat zu finden. Manager, die sich unverschämt offen und in geradezu habgieriger Weise bereichern und dabei keinerlei Unrechtsempfinden signalisieren, prägen eine Sichtweise, die gerade auf junge Menschen durchaus dafür Sorge tragen kann, das ihr eigenes Engagement für die Gesellschaft zum Erliegen kommt.

Skandale von Politikern, kirchlichen Würdenträgern und all den „Stars & Sternchen“ dringen durch die unterschiedlichsten Medien in – je nach Format – in unsere Gesellschaft ein und zeichnen so oftmals ein Bild, welches den „babylonischen Geschehnissen“ in nichts nachzustehen hat.Auf der Suche nach Orientierung für den eigenen Lebensweg erfahren Kinder, Jugendliche und Familien allzu oft, dass sie alleine gelassen werden. Die reißerischen Berichte von den Fehltritten und Verfehlungen der im Rampenlicht stehenden Persönlichkeiten bieten allemal „eine gute Gelegenheit“ dem Volk- in römischer „Brot & Spiele“- Manier - eine seichte Ablenkung zu bieten, die von den „wirklich wichtigen“ Aspekten unserer Gesellschaft abzulenken scheinen.

Wird ein Mensch in einer U-Bahnstation das Opfer von Jugendlichen, die im Alkohol- oder Drogenwahn „ausrasten“ ist das ein Thema, das für Nachrichtensendungen und Wochenmagazine fast wie ein „gefundenes Fressen“ erscheint. Die Ursachenforschung und die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft werden dabei oftmals schlichtweg ausgeblendet oder bleiben den Fachkreisen als Diskussionsgrundlage vorbehalten. Aufgrund der Fülle solcher „Negativschlagzeilen“ bleibt dem Leser und Zuschauer bis auf den Hinweis: „ weitere Informationen finden Sie auch auf www….de“ nicht viel an Information übrig. Die eigentliche Tat, das Vergehen oder die Verletzung gesellschaftlicher Grundregeln, dient viel zu oft lediglich der Quote und wird im schnelllebigen Alltagsgeschehen von der nächsten „Hiobsbotschaft am folgenden Tag“ bereits an den Rand der Wahrnehmung gedrängt.

In der Medien- und Informationsgesellschaft des frühen 21. Jahrhunderts beobachtet man eine zunehmende Übersichtslosigkeit und Verunsicherung ob der vielen „apokalyptischen Themen“, die die Gesellschaften weltweit beschäftigen.

Die zunehmende Zerstörung der Umwelt und deren Auswirkungen (Schmelzen der Eisressourcen, globale Erwärmung, Zunahme von Wetter-Katastrophen, Gefahren der Atomenergie…)

Der Zerfall jahrzehntelang existierender Machtsysteme (Nordafrika, naher Osten), die geprägt waren von Missachtung der Menschenrechte in jeglicher Form und Dynamik.

Das politische Gebaren der Verantwortlichen, die Banken- und Staatspleiten zeichnen ein düsteres Bild, das ähnlich dem Wandel von der Moderne zur Postmoderne für eine tiefe Verunsicherung in den Gesellschaften sorgt und dadurch den Menschen als Individuum sich oftmals in die eigene, nicht oder nur bedingt "reaktionsfähige" Beobachterposition manövriert.

Dieses für Jugendliche und junge Menschen entwicklungsbedingt eher atypische Verhalten wird zudem noch durch eine pseudo- Individualisierungstendenz (hauptsächlich) der Medien forciert.
Die Botschaft: „Melde Dich bei uns – und wir machen Dich zu einem allseits beliebten Star“ zeichnet ein (be)trügerisches Bild, das vielen jungen Menschen vorgaukelt, auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit und den (oftmals) fehlenden Ressourcen, dennoch in eine Welt eintauchen zu können, von der jedes Individuum träumt: Reichtum, Beliebtheit, Anerkennung der eigenen Leistung und die daraus resultierende Genugtuung, es an die Spitze der Gesellschaft geschafft zu haben.

Dass mittlerweile Heerscharen von Psychologenteams versuchen, die tiefe Depression der „Super-Star-Anwärter“, die es nicht auf Anhieb geschafft haben und /oder in mittelalterlicher Kirmesmanier vorgeführt, diffamiert und „verheizt“ werden, aufzufangen, wird medial nur äußerst selten – noch dazu am äußersten Rand der Öffentlichkeit erwähnt.

Dieses Trugbild vom „Superstar werden können“ wirkt auf junge Menschen bislang noch nicht wirklich abschreckend sondern -wie man den Einschaltquoten entnehmen kann- geradezu hochmotivierend, dem „Elend des Alltags“ entkommen zu können. Ein Versuch sei es allemal wert, ohne fundamentale Eignung den Sprung in die Welt der „Künste“ zu wagen.

Zwar gibt es viele junge Menschen, die sich sozial, ehrenamtlich und politisch engagieren, doch bleibt eine zu große „graue Masse“ oftmals leider rein konsumorientiert und mit dem Anspruch auf Unterhaltung in den Zimmern und sammelt Facebook-Freunde, begibt sich auf die virtuelle Reise in eine Welt, in der man Held ist und dadurch das reale Leben besser ertragen oder ausblenden kann. Auffallend ist hierbei der prozentual signifikante Unterschied zwischen den unterschiedlichsten Bildungsschichten.

„In dubio pro malo“ – Im Zweifel für das Schlechte(re)…

„Es ist die Vorschrift, primitiv gesagt, dass der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeiung.“ (H.Jonas, Das Prinzip Verantwortung, 1979, S. 70 u.f.)

Diese Äußerung von Hans Jonas in Bezug auf das realistische Menschenbild, sowie die Auswirkungen unserer Verantwortung auf die Veränderungen unserer modernen Gesellschaft, lässt sich auch im Bereich des aktuellen sozialen Miteinanders im Medienzeitalter anwenden.

„Unsere so völlig enttabuisierte Welt muss angesichts ihrer neuen Machtarten freiwillig neue Tabus aufrichten. Wir müssen wissen, dass wir uns weit vorgewagt haben, und wieder wissen lernen, dass es ein Zuweit gibt. Das Zuweit beginnt bei der Integrität des Menschenbildes… (H. Jonas, Technik, Medizin und Ethik, S. 218)

Jonas verfasste seine Gedanken zum Thema „Ethik, Verantwortung und Menschenbild“ lange bevor Kinder, Jugendliche und Erwachsene FACEBOOK-Freunde sammelten, an Schulen „Mobbing“ Einzug hielt und die Massenmedien (Fernsehen, Boulevardblätter, Webportale) moderne Hetz- und Treibjagden nicht auf der Basis der Menschlichkeit, sondern vielmehr nach „Einschalt- oder Auflagenquote“ veranstalten.

„Im Zweifel für das Schlechtere“ bedeutet nicht, die Uhren der Zeit zurückzudrehen.

Die modernen Kommunikationsmittel sind bereits etabliert und werden Weltweit genutzt und zudem (auch) seitens der Wirtschaft ordentlich genährt. Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg stieg binnen weniger Jahre vom „armen Studenten“ zu einem der reichsten Menschen der Welt auf. Er hat bereits durch die Vermarktung von FACEBOOK selbst den Microsoft Gründer Bill Gates monetär überholt. Zudem ist die Nutzung der modernen Kommunikationsmittel per se negativ behaftet. Geht es doch darum, die Chancen als auch die negativen (Aus)Wirkungen reflektiert und alters- und vor allen Dingen zeitgemäß (im Sinne der zeitlichen Menge)zu nutzen. Kinder und Jugendliche verbringen im Durchschnitt viel zu viel (Frei)Zeit mit den neuen Medien. (vergl. M.Spitzer, Vorsicht Bildschirm, Digitale Demenz u.w.)

Nach den ersten Meldungen über Suizide pubertierender Mädchen, die durch FACEBOOK gemobbt und verfolgt (stalking) wurden, bekommt die Diskussion um die „Freiheit im Web“ eine neue und dadurch ethische Dimension, die sich durchaus mit „in dubio pro malo“ in Zusammenhang bringen läßt:

Brauchen wir wirklich die totale Offenbarung und Bloßlegung unserer Persönlichkeit per Internet?

Können & sollen wir wirklich Hunderte von sog. "Freunden" sinnvoll und realistisch in unsere "virtuelle Privatsphäre" eindringen lassen, ohne dabei in irgendeiner Weise geschützt zu sein?

Sind wir überhaupt in der Lage, die Weiten des World Wide Webs derart für unsere eigene Persönlichkeit zu nutzen?

Sind die verantwortlichen Pädagogen, Erzieher, Eltern und Lehrer in der Lage, dem rasanten Technikschub zu folgen und in ihre Arbeit zu implementieren?

Alle Rechte: EUROPEAN-CHARITY-UNIVERSITY e.V. 2017